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Kopf voller Fragen

Hier kommen Menschen zu Wort, die wissen, wie sich eine psychische Störung anfühlt. Betroffene und ihre Angehörigen erzählen ihre ganz persönlichen Geschichten. Im Blog sowie in Video-Interviews teilen sie ihre Erfahrungen und geben wertvolle Tipps im Umgang mit psychischen Erkrankungen.

Geschichten, die Mut machen!

  • Charis Krüger: Mein Leben mit Depressionen

    Während meines ersten Klinikaufenthalts 2015 habe ich mich dazu entschlossen, über dieses Thema zu bloggen. Es hilft nicht nur mir, um all meine Gedanken und Gefühle loszuwerden, sondern auch anderen Betroffenen hilft es zu sehen, dass sie mit ihren Problemen nicht allein sind.

     

    Darüber zu sprechen, hilft nicht nur mir, sondern auch anderen Betroffenen.

     

    Schon morgens auf dem Weg zur Schule war alles komisch. Plötzlich bekam ich Platzangst und unerklärliche Schweißausbrüche in der Bahn, und ich wollte nur noch weinen. Ich war so weit weg von allem und doch mittendrin, als wäre ich in einer Blase, die alles dumpfer macht. Ich habe nichts mehr richtig gesehen, nichts richtig gehört und stand völlig neben mir. Ich wusste nicht, was mit mir passiert und hatte die Hoffnung, dass sich dieses Gefühl mit der Zeit wieder legen würde. Also ging ich mit meinen Klassenkameraden ins Klassenzimmer, und der Gong läutete die Stunde ein. An diesem Tag begann der Unterricht mit einem Vortrag. Eine Schülerin stand vorn und erzählte uns etwas über… keine Ahnung! Ich weiß es nicht mehr. Der Rest der Klasse war still. Doch was war das? Plötzlich wurde es immer lauter. Ich hörte Stimmen, die mich anschrien. Ich sah mich um, doch niemand im Klassenraum hatte tatsächlich etwas gesagt. Ich begann, mir die Ohren zuzuhalten, in der Hoffnung, die Stimmen um mich herum würden leiser werden. Meine Sitznachbarin fragte mich: „Ist alles okay?“ Doch ich war schon so weit weg mit meinen Gedanken, dass ich nicht mehr antworten konnte, und aus den lauten Stimmen wurden plötzlich schwarze Schatten, die um mich herumschwirrten. Ich kniff meine Augen zu und dachte, dadurch würde ich nichts mehr sehen, aber auch das funktionierte nicht. Ich war völlig weggetreten, und meine Sitznachbarin fragte den Lehrer: „Können wir kurz rausgehen, bitte?“. Als ich das Wort „raus“ hörte, war das wie ein Notausgang aus meinem Horrorszenario. Vor dem Klassenzimmer kam es dann zum Zusammenbruch. Es fühlte sich an wie mehrere Stunden, die ich in diesem „Modus“ verbrachte, aber tatsächlich waren es nur fünf Minuten, die vergangen waren. Ich dachte darüber nach, wie lang sich wenige Minuten anfühlen können, wenn man sich plötzlich in einer so ausweglosen Situation befindet.

     

    Aus den lauten Stimmen wurden plötzlich schwarze Schatten, die um mich herum schwirrten.

     

    Ich lag weinend auf dem Schulflur und drückte meiner Klassenkameradin mein Handy in die Hand, die meine Mama anrief. Ich war zu nichts mehr in der Lage und wollte in dem Moment einfach nur noch weg und verstehen, was mit mir los ist. Irgendwie bin ich dann bei meiner Hausärztin gelandet. Von dem Weg dorthin weiß ich nichts mehr, es war wie ein Filmriss. Meine Mutter erklärte der Ärztin, was passiert war, aber ich lachte und winkte ab: „Ach, alles gut. Ist nur halb so schlimm.“ Aber für die Ärztin war klar, was passiert war: „Sie haben ein klassisches Burnout, Frau Krüger“, sagte sie mit einem ziemlich besorgten Blick. Burnout? Ich verstand nicht, was das sein sollte. Ich war 16 und fühlte mich eigentlich gesund. Es folgte eine sofortige Krankschreibung. Krankschreibungen kennt man von einer Grippe. Ein bisschen ausruhen, dann passt das bald schon wieder. Aber bei dieser Krankschreibung habe ich keine Bettruhe verschrieben bekommen, sondern Eis essen, Shoppen, ins Kino gehen, etwas mit Freunden machen, Schwimmen gehen, Spazieren gehen. Also ALLES, was mir guttun würde. Auf den ersten Blick klang das nach dem Paradies, doch bei längerem Überlegen wurde mir klar, dass genau das die Dinge waren, die ich zu der Zeit schon gar nicht mehr machen konnte. Menschen überforderten mich, laute Geräusche, enge Räume, Gespräche, Bewegung überforderten mich. Alles war mir zu viel, und ich begann, sofort zu weinen und mich zu verkriechen. Das Schlimmste daran war, dass niemand sah, wie es mir wirklich ging, und bis heute können das auch nur wenige sehen. Ein Lächeln genügte für die meisten, um zu denken, alles wäre okay, ich bin gesund.

     

    Das Schlimmste war, dass niemand sah, wie es mir wirklich ging.

     

    Ich begann eine Therapie und nahm erste Antidepressiva. Nach zwei Jahren hatte ich mich wieder ein wenig stabilisiert, aber so wie vorher wurde mein Leben nicht mehr. Negative Gedanken begleiteten mich häufig, und dieses „komische“ Gefühl hörte auch nicht mehr auf. Es verschlimmerte sich sogar von Woche zu Woche. Das Aufstehen fiel mir immer schwerer. Der Kaffee, den ich jeden Morgen mit Genuss trank, schmeckte plötzlich nicht mehr. Dann fing es an, dass alltägliche Dinge zur Herausforderung wurden, zum Beispiel Wäsche waschen: „Wo kommt noch mal das Waschmittel rein und in welches Fach der Weichspüler? Hilfe, reiß dich zusammen!“ Und schon flossen die Tränen, weil ich mir so bescheuert vorkam. Dass meine Haare ungebürstet waren und die Schminke fehlte, habe ich schon gar nicht mehr mitbekommen. Aber ich  redete mir ein, ich müsste funktionieren, denn eigentlich hatte ich ja nichts – keine Erkältung, kein gebrochenes Bein, nichts Offensichtliches. Also kann nicht so schlimm sein, dachte ich.

     

    Der Kaffee, den ich jeden Morgen mit Genuss trank, schmeckte plötzlich nicht mehr.

     

    Nach zwei gescheiterten Ausbildungen, die ich aufgrund meiner schweren Depressionen abbrechen musste, habe ich mich dann 2015 für einen Klinikaufenthalt entschieden. Ich hatte die Hoffnung, dass jemand ein paar richtige Worte sagen und mir Tabletten verschreiben würde, mit denen es mir dann besser gehen würde. Doch es war alles andere als das. Ich musste mich intensiv mit mir und meinen Gefühlen beschäftigen. Es gab Einzeltherapie und Gruppentherapie, einen festen Tagesplan, gemeinsame Mahlzeiten und fremde Mitpatienten. Eine Klinik ist kein Urlaubsort, aber trotz aller Schwierigkeiten war es eine sehr wichtige Zeit für mich, denn dort entschied ich mich auch, offen über meine Erkrankung und meine Erfahrungen zu schreiben. Es begann ein neuer Lebensabschnitt, und ich hatte endlich wieder eine Aufgabe gefunden, die meinem Leben einen Sinn gab.

     

    In der Klinik gab es Einzeltherapie und Gruppentherapie, einen festen Tagesplan und gemeinsame Mahlzeiten.

     

    Danach folgten trotzdem noch viele schwere Monate, in denen ich mich am Ende fühlte. Aber als ich einmal einen guten Moment hatte, schrieb ich einem Freund, der mich durch die schwere Zeit begleitet hatte: „Ich bin ein kleines bisschen stolz auf mich. Noch vor ein paar Wochen war ich mir relativ sicher, dass ich nicht mehr leben wollte, aber jetzt habe ich wieder Hoffnung.“ Seine Antwort darauf war: „Ich habe das gespürt. Schön, dass du wieder da bist!“ Da wurde mir erst richtig bewusst, wie ernst es eigentlich um mich stand, denn man selbst nimmt das alles nicht mehr richtig wahr, wenn man in dem Strudel der Hoffnungslosigkeit feststeckt. Aber ich kann mit Stolz sagen, dass ich viel geschafft habe. Man kann nicht darauf hoffen, dass das Leben einfach so besser wird. Man muss selbst viel dafür tun. Ich habe so viel geschrien, geweint und mich so oft aufgegeben. Aber der kleine Funken Hoffnung, der mich am Leben gehalten hat, wird täglich größer! Durch gezielte und regelmäßige Therapie konnte ich mich mehr und mehr stabilisieren.

     

    Man kann nicht darauf hoffen, dass das Leben einfach so besser wird. Man muss selbst viel dafür tun.

     

    Mein Blog wächst und die Rückmeldungen sind wirklich der Wahnsinn, weswegen ich es auch zu einer Art „Beruf“ für mich gemacht habe. Darüber hinaus habe ich auch mit YouTube begonnen, denn bewegte Bilder und ein Gesicht zu den Texten sind mit Sicherheit hilfreich für viele Betroffene. In meinen Videos verarbeite ich viele meiner Erfahrungen, um besser damit und hilft mir sehr bei meiner Selbstreflektion. Wenn ich ehrlich bin, habe ich immer noch Angst vor den dunklen Momenten, denn sie werden kommen. Aber ich habe gelernt, damit umzugehen. Was ich jedem mit auf den Weg geben möchte: Holt euch professionelle Hilfe, und schämt Euch nicht dafür! Es war nicht leicht für mich, aber ich habe es geschafft und glaube fest daran, dass jeder andere da draußen das auch schaffen kann!

     

    Holt euch professionelle Hilfe und schämt Euch nicht dafür!

     

    Blog: www.charis-lifestyle.de
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    Wenn Du selbst Hilfe benötigst, findest Du hier Notfall- und Beratungsangebote!

Franziska Seyboldt über Angststörungen

Die Autorin spricht offen darüber, wie sich eine Panikattacke anfühlt und welche Anzeichen es bei einer Angststörung gibt. Sie erklärt, was ihr geholfen hat und gibt wertvolle Tipps, wie Angehörige andere Betroffene unterstützen können.

 

Mehr Infos zur Autorin und ihrem Buch findet Ihr hier: www.franziskaseyboldt.de

Cordt Winkler über Schizophrenie

 

Wie fühlt sich eine Psychose an? Der Autor spricht darüber, welche Symptome bei ihm aufgetreten sind und wie er Hilfe gefunden hat. Außerdem gibt er Tipps, was Du tun kannst, wenn Du eine Psychose hast oder wenn Angehörige betroffen sind.

 

Mehr Infos zum Autor und seinem Buch findet Ihr hier: www.cordtwinkler.com

Dominique de Marné über ihre Borderline-Störung

 

Was bedeutet es, eine Borderline-Persönlichkeitsstörung zu haben? Dominique, Gründerin der Mental Health Crowd, schildert, welche Anzeichen sie zu Beginn wahrgenommen und wie sich ihr Verhältnis zu ihrer Erkrankung im Laufe der Zeit verändert hat. Außerdem gibt sie wichtige Tipps, wie Familie und Freund:innen sich verhalten können.

 

Mehr Infos zur Mental Health Crowd findet Ihr hier: www.mentalhealthcrowd.de

Oliver Sechting über seine Zwangsstörung

 

Filmemacher und Autor Oliver Sechting erzählt, wie sich Zwangsdedanken anfühlen und was ihm geholfen hat, mit seiner Diagnose umzugehen. Außerdem erklärt er, welche Rolle das Umfeld im Umgang mit Zwangsstörungen spielt und wie sich Angehörige verhalten können.

 

Mehr Infos zu Oliver Sechting sowie seinem Film und Buch findet Ihr hier: www.oliversechting.de